Baden-Württembergs Sozialminister Manfred Lucha war zu Gast bei der Gemeinderatssitzung in Heidelberg am 2. Juni 2022, um für seine Pläne zu werben, das ehemalige Gefängnis „Fauler Pelz“ in der Heidelberger Altstadt als Interimslösung für den Maßregelvollzug zu nutzen. Er stieg ein mit Sinnbildern aus dem Sport, dass er sich dessen bewusst sei, dass dies kein Heimspiel wäre, aber dass „Auswärts-Siege“ die schönsten seien. Um im Sport-Jargon zu bleiben: wir hätten uns vom Sozialminister „fair play“ gewünscht. Wir bedauern sehr, dass Lucha die Presse vor dem Oberbürgermeister, der Verwaltung und dem Gemeinderat über seine Pläne informiert hat. Und ebenso wenig können wir es gutheißen, dass das Land sich über bestehendes Baurecht hinwegsetzen will u.a..
Grundsätzlich haben wir Verständnis für die Notlage, aber der Engpass beim Maßregelvollzug ist seit Jahren absehbar und das Land hat dies sehenden Auges in Kauf genommen: Aktuell sind in Baden-Württemberg 1300 Personen im Maßregelvollzug, Planbetten gibt es nur ca. 1.000, 120 Personen warten aktuell auf einen Therapieplatz. 2020 und 2021 mussten über 30 Personen in Freiheit entlassen werden. Das Defizit bei Plätzen im Maßregelvollzug wird auch 2025 noch bestehen,
die aktuellen Ausbaupläne reichen nicht: 100 Plätzen stehen schon heute 120 wartende Personen gegenüber und ein sinkender Bedarf zeichnet sich nicht ab. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass die Plätze im Faulen Pelz auch nach 2025 gebraucht würden – erst recht nach einem Invest von mehr als 11 Mio Euro.
Wir befürchten, dass die Landesregierung hier genauso unehrlich ist wie beim Thema Ankunftszentrum. Bei diesem Thema haben wir 2015 einem Notquartier für Geflüchtete für einen Winter zugestimmt – und der Rest ist Geschichte. Diesen Vertrauensbruch konnte Minister Lucha nicht wieder gut machen, im Gegenteil: Er betonte, dass er an einer einvernehmlichen Lösung interessiert sei, drohte jedoch im selben Satz mit Konsequenzen, wenn der Gemeinderat nicht zustimmen würde. Ein Entgegenkommen blieb aus. Nachfragen zu alternativen Standorten wurden mit Widersprüchen beantwortet.
All dies hat dazu geführt, dass der Gemeinderat den Plänen des Sozialministers abermals nicht zugestimmt hat bzw. einstimmig entschieden hat, einen entsprechenden Bauantrag für ein Jahr zurückzustellen. Wir dürfen gespannt sein, wie es weitergeht!