13. Mai 2021 | Archiv

Startseite » Archiv » Haushaltsrede Doppelhaushalt 2021/2022 Larissa Winter-Horn, Fraktionsvorsitzende

Haushaltsrede Doppel­haushalt 2021/2022 Larissa Winter-Horn, Frakti­ons­vor­sit­zende

Sehr geehrter Herr Oberbür­ger­meister,

sehr geehrte Dame und Herren Bürger­meister,

liebe Kolle­ginnen und Kollegen,

sehr geehrte Damen & Herren,

den Doppel­haushalt 21/22 zu verab­schieden, ist eine enorme Heraus­for­derung – für die Verwaltung, aber auch für uns Stadt­rä­tinnen und Stadträte. In den Vorjahren wurde aus dem Vollen geschöpft und der Gemein­derat hatte sich auch den ein oder anderen „Luxus“ gegönnt.

Schon Ende 2019 wurden wir darauf hinge­wiesen, dass im Haushaltsjahr 2020 mit erheb­lichen Verschlech­te­rungen zu rechnen ist. Und dann kam Corona und hat uns alle – auch die Stadt­ver­waltung – vor gewaltige Heraus­for­de­rungen gestellt.

Die Finanzen von vielen Bürge­rinnen und Bürgern, wie auch die Finanzen unserer Kommune sind davon nicht unberührt geblieben: Steuer­aus­fälle, aber auch steigende Sozial- und Gesund­heits­kosten – in einer Dimension, die wir bisher nicht kannten.

Es wird zwar eine leichte Verbes­serung bei der Gewer­be­steuer erwartet, aller­dings noch lange nicht auf dem Niveau von 2019. Und es waren gerade die Gewer­be­steuer-Einnahmen, die uns bislang viele Inves­ti­tionen ermög­licht haben.

Und der Kämmerer hat bereits eine wirtschaft­liche Erholung in Verbindung mit Locke­rungen einbe­rechnet. Aber weder die 2. noch die 3. Corona-Welle, in der wir uns gerade befinden, sind dabei berück­sichtigt. Zu Recht erwähnt er, dass die momen­tanen Prognosen vielleicht sogar zu optimis­tisch sind.

Allein auf Basis der momentan prognos­ti­zierten Entwicklung werden wir Inves­ti­tionen zu 75 % über Kredit­auf­nahmen finan­zieren müssen. Dadurch steigt der Schul­den­stand auf knapp 365 Mio. € Ende 2022. Ab 2024 wären die Ergeb­nis­rück­lagen vollständig aufge­braucht. Und durch einen Fehlbe­trags­vortrag würde der Schul­den­stand bis 2025 auf 521 Mio. € ansteigen. Das entspricht einer Steigerung von 300 % – und das bei unver­än­derter Inves­ti­ti­ons­quote bzw. sogar reduziertem Inves­ti­ti­ons­vo­lumen.

Ich nenne diese Zahlen bewusst noch einmal, um die schwierige Lage und den daraus resul­tie­renden, dringenden Handlungs­bedarf zu verdeut­lichen!

Bgm. Heiß hat festge­halten, dass sich Verbes­se­rungen durch eine schnellere konjunk­tu­relle Erholung oder weitere Unter­stüt­zungs­maß­nahmen ergeben könnten und dass diese Annahmen hoffentlich so nicht eintreten werden.

Das hört sich nach „Prinzip Hoffnung“ an. Wir würden den Ansatz „Hope for the best, be prepared for the worst“ bevor­zugen. Wir sehen dem nämlich nicht ganz so optimis­tisch entgegen – wohlwissend, dass die Folgen des 2. und 3. Lockdowns noch nicht berück­sichtigt wurden und Bund und Land vor ähnlichen finan­zi­ellen Heraus­for­de­rungen stehen.

Genera­tio­nen­ge­rech­tigkeit

Gerade sorgt eine Entscheidung des Bundes­ver­fas­sungs­ge­richtes für Furore, bei der es um Genera­tio­nen­ge­rech­tigkeit geht. Diese Entscheidung kann man auch auf das Schul­den­machen beziehen. Es ist vor diesem Hinter­grund bedenklich, wenn der Schul­den­stand Ausmaße annimmt,
wie es für 2025 prognos­ti­ziert wird.

Natürlich können auch nachfol­gende Genera­tionen an bestimmten Inves­ti­tionen mitbe­zahlen,
an denen sie ja auch parti­zi­pieren. Aller­dings darf deren Handlungs­spielraum durch stetig schul­den­fi­nan­zierte Ausgaben nicht über die Maßen einge­schränkt werden.

Schul­den­machen

Auch bei extrem niedrigen Zinsen ist ein so hohes Schul­den­niveau gefährlich.

Wir sollten nicht so tun, als ob wir unbegrenzt Schulden machen könnten.

Wir Heidel­berger betrachten die Finanzen der Stadt, als wären es unsere eigenen, denn wir verwalten das Geld ja quasi treuhän­de­risch für die Bürge­rinnen und Bürger.

Für uns ist klar: Man kann nicht immer nur aus eigenen Mitteln zahlen. Schul­den­machen ist nicht per se etwas Schlechtes. Aber man muss auch einen Plan haben, wie man die Schulden tilgen kann. Ein Unter­nehmen würde bei einer Bank überhaupt keinen Kredit erhalten, wenn nicht darlegt wird, wie die Schulden in einem bestimmten Zeitraum wieder zurück­ge­führt werden können. Bzw. wer würde als Privat­person das Risiko eingehen ohne einen Plan, wie die Schulden wieder zurück­ge­zahlt werden können?

Wir müssen ebenfalls im Auge behalten, dass auf lange Sicht ein höherer Schul­den­dienst entstehen könnte angesichts länger­fristig anstei­gender Zinsen – erste Anzeichen für ein Ende der Niedrig­zins­phase sind da. Und nicht zu vergessen ist, dass unsere künftigen Haushalte auch geneh­mi­gungs­fähig sein müssen.

Deshalb ist es die Aufgabe der Stadt­ver­waltung, aber auch von uns Stadt­rä­tinnen und Stadt­räten, die Ausgaben länger­fristig zu senken und gleich­zeitig die Einnahmen nachhaltig zu stärken. Ziel sollte immer ein ausge­gli­chener Haushalt sein und Schulden sollten nur die Ausnahme sein in beson­deren Situa­tionen.

Dieser Doppel­haushalt kann nicht mehr das Wunsch­konzert der vergan­genen Jahre sein. Es muss noch stärker priori­siert werden, Maßnahmen und Leistungen müssen hinter­fragt werden und Aufgaben müssen reduziert werden!

Bauin­ves­ti­tionen

Ein wichtiger Punkt – vielleicht der wichtigste – sind dabei die Bauin­ves­ti­tionen:
Die Verwaltung schlägt vor, 17 Projekte auf spätere Jahre zu verschieben, um den Finanz­haushalt und das Inves­ti­ti­ons­vo­lumen zu reduzieren.

Nichts­des­to­trotz ist das Inves­ti­ti­ons­vo­lumen nach wie vor sehr hoch. Bereits seit Jahren stößt die Verwaltung mit dem Inves­ti­ti­ons­pro­gramm, auf das immer wieder weitere Maßnahmen drauf­ge­sattelt werden, an die Grenzen ihrer Leistungs­fä­higkeit. Das zeigt sich auch bei den Haushalts­über­tra­gungen. Und diese führen zunehmend zu Liqui­di­täts­pro­blemen.

Das Inves­ti­ti­ons­pro­gramm muss daher noch mehr als bisher priori­siert, vor allem aber auch reduziert werden, so dass ein erfüll­bares Inves­ti­ti­ons­pro­gramm in den Haushalten steht. Wir müssen uns bei allen Maßnahmen fragen, was verschoben werden kann, aber auch auf welche ganz verzichtet werden kann. Wenn Projekte nur geschoben werden, ergibt sich nur ein tempo­rärer Effekt. Die Schulden werden nur in die Zukunft verlagert.

Wenn wir allein jetzt Anträge stellen, in denen wir einzelne Projekte streichen, kommen wir keinen Schritt weiter. Aber wir möchten dazu ermutigen, dass wir gemeinsam bei den kommenden Beratungs­ter­minen v.a. die Großpro­jekte auf Herz und Nieren prüfen und priori­sieren und uns dazu durch­ringen, im aktuellen Doppel­haushalt nur Projekte aufzu­führen, die auch bearbeitet werden können. Das hat auch etwas mit Haushalts­wahrheit zu tun: Wir machen keine falschen Hoffnungen, die wir nicht erfüllen können – was im Endeffekt zu viel mehr Unmut führt.

Sanie­rungen

Neben den größeren Bauin­ves­ti­tionen müssen aber auch Sanie­rungen und Instand­hal­tungen thema­ti­siert werden. Die Liste mit Sanie­rungs­be­darfen ist lang und wurde zu lange nicht bearbeitet. Es geht dabei um die Instand­haltung unseres Vermögens – auch für nachfol­gende Genera­tionen. Auch das ist Nachhal­tigkeit!

Die Sanierung von Schulen, Sport­hallen und Straßen sollte Vorrang vor Presti­ge­pro­jekten haben. Und man muss sich gerade bei Funkti­ons­bauten wirklich fragen, ob es nicht auch mal ein „Bau von der Stange“ tut und dafür ein Projekt mehr reali­siert werden kann.

Die Ausgaben in diesem Doppel­haushalt dienen zu einseitig dem Radverkehr, und das obwohl in Heidelberg schon viel für den Radverkehr getan wird. Wir haben nichts gegen Radfahrer, ich fahre selbst unheimlich viel mit dem Rad. Aber in der aktuellen Situation können wir uns weiß Gott keine rein ideolo­gi­schen Vorhaben leisten, die keinen Fahrrad­fahrer mehr auf die Straße bringen. Solange es in Heidelberg Schulen gibt, in denen es reinregnet, benötigen wir kein Fahrrad­parkhaus für mehrere Millionen.

Für uns steht die Gleich­be­rech­tigung aller Verkehrs­teil­nehmer im Vorder­grund, wie es seit Gründung unserer Wähler­initiative im Wahlpro­gramm steht. Und bevor hier die visio­nären Großpro­jekte angegangen werden, sollten zunächst die Straßen in katastro­phalem Zustand angegangen werden – das dient den Fahrrad­fahrern, Autofahrern und auch den Fußgängern hier und heute am meisten.

Perso­nal­aufwand

Der Oberbür­ger­meister hat das Personal als „Basis für eine leistungs­fähige Verwaltung“ bezeichnet. Vor dem Hinter­grund des nach wie vor vergleichs­weise geringen Perso­nal­schlüssels und nachdem die Verwaltung bei einigen Aufgaben aufgrund der Perso­nal­ka­pa­zität immer wieder an ihre Grenzen gestoßen ist, begrüßen wir die Stellen­schaf­fungen im aktuellen Doppel­haushalt.

Ursprünglich war sogar ein höherer Perso­nal­schlüssel vorge­sehen, aber auch den Mitar­bei­te­rinnen und Mitar­beitern der Stadt Heidelberg ist bewusst, dass dies im „Corona-Haushalt“ nicht möglich ist. Es ist zu honorieren, dass sie bereit sind, ihren Beitrag zu leisten und weiterhin mit reduziertem Perso­nal­schlüssel zu arbeiten. Aber die Perso­nal­aus­stattung muss in Relation zu den Aufgaben stehen.

Wir Stadt­rä­tinnen und Stadträte müssen im Blick behalten, dass die Perso­nal­aus­gaben deutlich ansteigen. Ursache dafür sind tarif­liche Entwick­lungen, aber vor allem zusätz­liche Aufgaben und neue Projekte.

Auch vor diesem Hinter­grund darf es kein „immer mehr und immer weiter“ geben. Das sollten sich v.a. die Parteien zu Herzen nehmen, die die Verwaltung ständig mit zum Teil unnötigen Anträgen bombar­dieren und damit lahmlegen. Selbst Anträge von der Kategorie „Satire“ müssen von der Verwaltung bearbeitet werden. Auch das bindet Personal und erhöht die Kosten.

Sonstige Ausgaben

Die pauschale Einspar­vorgabe von jährlich 6 Mio. € in Form der Globalen Minder­ausgabe ist sicherlich eine Heraus­for­derung. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Einspa­rungen von 2 – 3 Mio. € realis­tisch sind, 6 Mio. € sind schon sehr ambitio­niert. Einige meiner Vorredner wollen die Globale Minder­ausgabe auch noch erhöhen als Ausgleich für ihre zusätz­lichen. Davon wird auch der Perso­nal­haushalt nicht unberührt bleiben. Das würde die geplanten Stellen­schaf­fungen konter­ka­rieren – es sei denn, wir nehmen wie schon angesprochen die Reduzierung Aufgaben der Verwaltung in den Blick.

Wir und wahrscheinlich auch die meisten Mitar­bei­te­rinnen und Mitar­beiter würden konkrete Einspar­maß­nahmen bevor­zugen. Durch pauschale Einspa­rungen erspart man sich lediglich das Aussprechen unange­nehmer Wahrheiten, aber was am Ende dabei raus kommt, ist ungewiss.

Die aktuelle Situation erfordert höhere Zuwen­dungen im sozialen Bereich, an den Schulen, bei den Klein­un­ter­nehmen oder in der Kultur. Dennoch kann es nicht als selbst­ver­ständlich erachtet werden, dass die Kommune alles finan­ziert.

Der Oberbür­ger­meister hat darauf hinge­wiesen, dass vergleichbare Städte im Durch­schnitt 82 Euro pro Einwohner im Jahr für Kultur ausgeben. In Heidelberg geben wir mehr als 300 Euro je Einwohner für Kultur aus. Damit zählen wir bundesweit zu den Städten mit den höchsten Kultur­aus­gaben pro Kopf. Gerade mit diesen rein konsum­tiven Ausgaben müssen wir uns kritisch ausein­an­der­setzen.

Weshalb muss jedes Festival von Jahr zu Jahr immer größer werden? Können wir uns nicht einmal mit dem zufrieden gaben, was wir erreicht haben? Im kultu­rellen Bereich bedeutet Wachstum nämlich nicht mehr Einnahmen, sondern höhere Forde­rungen an die Stadt.

Einnah­men­seite verbessern

Wenn wir uns all das auch die nächsten Jahre leisten wollen, müssen wir die Einnah­men­seite nachhaltig verbessern. Sowohl der Oberbür­ger­meister als auch Bürger­meister Heiß erwähnen das. Aber es ist wenig dazu aufge­führt, wie die Einnah­men­seite erhöht werden soll. Das scheint trotz aller Bekennt­nisse kein Schwer­punkt zu sein.

Erhöhungen bei den Realsteu­er­he­be­sätzen sind aktuell nicht angebracht. Und aus Erfah­rungen weiß man, dass Erhöhungen der Gewer­be­steuer länger­fristig nicht zwangs­läufig zu einem höheren Steuer­auf­kommen führen.

Deshalb ist es umso wichtiger, neues Gewerbe anzusiedeln und neue Arbeits­plätze zu schaffen. Mit dem Heidelberg Innovation Park wurde damit ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Aber davon abgesehen ist die Entwicklung eher konträr. An mehreren Stellen werden Gewer­be­flächen ersatzlos gestrichen, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen: In der Bahnstadt wurden Gewer­be­flächen umgewidmet, die Gewer­be­fläche Großer Ochsenkopf soll umgewidmet werden, dass auf der Gewer­be­fläche Wolfs­gärten Gewerbe angesiedelt wird, ist auch eher unwahr­scheinlich und in PHV würden einige Stadt­rä­tinnen und Stadträte auch ohne Probleme auf einen Teil der Gewer­be­flächen verzichten.

Wir können nur dazu aufrufen, dass man dabei auch im Auge behält, dass wir auf steigende Einnahmen aus der Gewer­be­steuer angewiesen sind, um unseren Haushalt annähernd so großzügig zu gestalten wie in den vergan­genen Jahren. Wenn Heidelberg wächst, steigen auch die Ausgaben konti­nu­ierlich.

Zum Abschluss

Der Verwaltung ist es gelungen, in diesen schwie­rigen Zeiten einen vernünf­tigen Doppel­haushalt zu erstellen. Aber die Ziele sind sehr ambitio­niert, eine stärkere Priori­sierung ist nicht erfolgt und die geplanten Schulden sind unserer Meinung nach zu hoch. In Zeiten von Corona sind sie wahrscheinlich gerecht­fertigt, aber danach kann es nicht so weiter­gehen. Wir müssen alles dafür tun, dass der Schul­den­stand bis 2025 nicht so exorbitant in die Höhe schnellt wie prognos­ti­ziert.

Wir unter­stützen den Vorschlag der Verwaltung zum Doppel­haushalt 2021/2022. Niemand hat sich so intensiv mit den Inves­ti­tionen, geför­derten Insti­tu­tionen, Zuschuss­emp­fängern uvm. ausein­an­der­ge­setzt. Sie genießen unser Vertrauen, dass sie in der aktuellen Situation den richtigen Ansatz gewählt haben. Aber wir werden keiner Erhöhung zustimmen, die nicht durch eine Einsparung an anderer Stelle ausge­glichen wird!

Wir selbst stellen zum jetzigen Zeitpunkt keine Anträge. Natürlich sind auch auf uns viele Personen und Insti­tu­tionen zugekommen und wir würden einigen gerne mehr finan­zielle Mittel zukommen lassen. Aber das können wir in der aktuellen Situation nicht verant­worten.

Erfreu­licher Weise haben wir in vielen Diskus­sionen die Rückmeldung bekommen, dass es aktuell wirklich nicht angebracht ist, Erhöhungen zu fordern. Es ist nun einmal die Realität, dass im Moment alle den Gürtel enger schnallen müssen.

Gespräche haben gezeigt, dass auch anderen Fraktionen bewusst geworden ist, dass es nicht so weiter gehen kann wie bei den Haushalts­be­ra­tungen in den letzten Jahren. Es können nicht alle bedient werden, die „hier“ schreien.

Wir machen uns dafür stark, dass der Vorschlag der Verwaltung nicht noch utopisch in die Höhe getrieben wird und hoffen bei den Beratungen auf mutige Mitstreiter, die mit uns gemeinsam alle Aufgaben und Ausgaben kritisch hinter­fragen. Und so nachhaltig zum Wohle der Stadt und ihrer Bürge­rinnen und Bürger beitragen.

Vielen Dank!