Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,
sehr geehrte Dame und Herren Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen & Herren,
den Doppelhaushalt 21/22 zu verabschieden, ist eine enorme Herausforderung – für die Verwaltung, aber auch für uns Stadträtinnen und Stadträte. In den Vorjahren wurde aus dem Vollen geschöpft und der Gemeinderat hatte sich auch den ein oder anderen „Luxus“ gegönnt.
Schon Ende 2019 wurden wir darauf hingewiesen, dass im Haushaltsjahr 2020 mit erheblichen Verschlechterungen zu rechnen ist. Und dann kam Corona und hat uns alle – auch die Stadtverwaltung – vor gewaltige Herausforderungen gestellt.
Die Finanzen von vielen Bürgerinnen und Bürgern, wie auch die Finanzen unserer Kommune sind davon nicht unberührt geblieben: Steuerausfälle, aber auch steigende Sozial- und Gesundheitskosten – in einer Dimension, die wir bisher nicht kannten.
Es wird zwar eine leichte Verbesserung bei der Gewerbesteuer erwartet, allerdings noch lange nicht auf dem Niveau von 2019. Und es waren gerade die Gewerbesteuer-Einnahmen, die uns bislang viele Investitionen ermöglicht haben.
Und der Kämmerer hat bereits eine wirtschaftliche Erholung in Verbindung mit Lockerungen einberechnet. Aber weder die 2. noch die 3. Corona-Welle, in der wir uns gerade befinden, sind dabei berücksichtigt. Zu Recht erwähnt er, dass die momentanen Prognosen vielleicht sogar zu optimistisch sind.
Allein auf Basis der momentan prognostizierten Entwicklung werden wir Investitionen zu 75 % über Kreditaufnahmen finanzieren müssen. Dadurch steigt der Schuldenstand auf knapp 365 Mio. € Ende 2022. Ab 2024 wären die Ergebnisrücklagen vollständig aufgebraucht. Und durch einen Fehlbetragsvortrag würde der Schuldenstand bis 2025 auf 521 Mio. € ansteigen. Das entspricht einer Steigerung von 300 % – und das bei unveränderter Investitionsquote bzw. sogar reduziertem Investitionsvolumen.
Ich nenne diese Zahlen bewusst noch einmal, um die schwierige Lage und den daraus resultierenden, dringenden Handlungsbedarf zu verdeutlichen!
Bgm. Heiß hat festgehalten, dass sich Verbesserungen durch eine schnellere konjunkturelle Erholung oder weitere Unterstützungsmaßnahmen ergeben könnten und dass diese Annahmen hoffentlich so nicht eintreten werden.
Das hört sich nach „Prinzip Hoffnung“ an. Wir würden den Ansatz „Hope for the best, be prepared for the worst“ bevorzugen. Wir sehen dem nämlich nicht ganz so optimistisch entgegen – wohlwissend, dass die Folgen des 2. und 3. Lockdowns noch nicht berücksichtigt wurden und Bund und Land vor ähnlichen finanziellen Herausforderungen stehen.
Generationengerechtigkeit
Gerade sorgt eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes für Furore, bei der es um Generationengerechtigkeit geht. Diese Entscheidung kann man auch auf das Schuldenmachen beziehen. Es ist vor diesem Hintergrund bedenklich, wenn der Schuldenstand Ausmaße annimmt,
wie es für 2025 prognostiziert wird.
Natürlich können auch nachfolgende Generationen an bestimmten Investitionen mitbezahlen,
an denen sie ja auch partizipieren. Allerdings darf deren Handlungsspielraum durch stetig schuldenfinanzierte Ausgaben nicht über die Maßen eingeschränkt werden.
Schuldenmachen
Auch bei extrem niedrigen Zinsen ist ein so hohes Schuldenniveau gefährlich.
Wir sollten nicht so tun, als ob wir unbegrenzt Schulden machen könnten.
Wir Heidelberger betrachten die Finanzen der Stadt, als wären es unsere eigenen, denn wir verwalten das Geld ja quasi treuhänderisch für die Bürgerinnen und Bürger.
Für uns ist klar: Man kann nicht immer nur aus eigenen Mitteln zahlen. Schuldenmachen ist nicht per se etwas Schlechtes. Aber man muss auch einen Plan haben, wie man die Schulden tilgen kann. Ein Unternehmen würde bei einer Bank überhaupt keinen Kredit erhalten, wenn nicht darlegt wird, wie die Schulden in einem bestimmten Zeitraum wieder zurückgeführt werden können. Bzw. wer würde als Privatperson das Risiko eingehen ohne einen Plan, wie die Schulden wieder zurückgezahlt werden können?
Wir müssen ebenfalls im Auge behalten, dass auf lange Sicht ein höherer Schuldendienst entstehen könnte angesichts längerfristig ansteigender Zinsen – erste Anzeichen für ein Ende der Niedrigzinsphase sind da. Und nicht zu vergessen ist, dass unsere künftigen Haushalte auch genehmigungsfähig sein müssen.
Deshalb ist es die Aufgabe der Stadtverwaltung, aber auch von uns Stadträtinnen und Stadträten, die Ausgaben längerfristig zu senken und gleichzeitig die Einnahmen nachhaltig zu stärken. Ziel sollte immer ein ausgeglichener Haushalt sein und Schulden sollten nur die Ausnahme sein in besonderen Situationen.
Dieser Doppelhaushalt kann nicht mehr das Wunschkonzert der vergangenen Jahre sein. Es muss noch stärker priorisiert werden, Maßnahmen und Leistungen müssen hinterfragt werden und Aufgaben müssen reduziert werden!
Bauinvestitionen
Ein wichtiger Punkt – vielleicht der wichtigste – sind dabei die Bauinvestitionen:
Die Verwaltung schlägt vor, 17 Projekte auf spätere Jahre zu verschieben, um den Finanzhaushalt und das Investitionsvolumen zu reduzieren.
Nichtsdestotrotz ist das Investitionsvolumen nach wie vor sehr hoch. Bereits seit Jahren stößt die Verwaltung mit dem Investitionsprogramm, auf das immer wieder weitere Maßnahmen draufgesattelt werden, an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit. Das zeigt sich auch bei den Haushaltsübertragungen. Und diese führen zunehmend zu Liquiditätsproblemen.
Das Investitionsprogramm muss daher noch mehr als bisher priorisiert, vor allem aber auch reduziert werden, so dass ein erfüllbares Investitionsprogramm in den Haushalten steht. Wir müssen uns bei allen Maßnahmen fragen, was verschoben werden kann, aber auch auf welche ganz verzichtet werden kann. Wenn Projekte nur geschoben werden, ergibt sich nur ein temporärer Effekt. Die Schulden werden nur in die Zukunft verlagert.
Wenn wir allein jetzt Anträge stellen, in denen wir einzelne Projekte streichen, kommen wir keinen Schritt weiter. Aber wir möchten dazu ermutigen, dass wir gemeinsam bei den kommenden Beratungsterminen v.a. die Großprojekte auf Herz und Nieren prüfen und priorisieren und uns dazu durchringen, im aktuellen Doppelhaushalt nur Projekte aufzuführen, die auch bearbeitet werden können. Das hat auch etwas mit Haushaltswahrheit zu tun: Wir machen keine falschen Hoffnungen, die wir nicht erfüllen können – was im Endeffekt zu viel mehr Unmut führt.
Sanierungen
Neben den größeren Bauinvestitionen müssen aber auch Sanierungen und Instandhaltungen thematisiert werden. Die Liste mit Sanierungsbedarfen ist lang und wurde zu lange nicht bearbeitet. Es geht dabei um die Instandhaltung unseres Vermögens – auch für nachfolgende Generationen. Auch das ist Nachhaltigkeit!
Die Sanierung von Schulen, Sporthallen und Straßen sollte Vorrang vor Prestigeprojekten haben. Und man muss sich gerade bei Funktionsbauten wirklich fragen, ob es nicht auch mal ein „Bau von der Stange“ tut und dafür ein Projekt mehr realisiert werden kann.
Die Ausgaben in diesem Doppelhaushalt dienen zu einseitig dem Radverkehr, und das obwohl in Heidelberg schon viel für den Radverkehr getan wird. Wir haben nichts gegen Radfahrer, ich fahre selbst unheimlich viel mit dem Rad. Aber in der aktuellen Situation können wir uns weiß Gott keine rein ideologischen Vorhaben leisten, die keinen Fahrradfahrer mehr auf die Straße bringen. Solange es in Heidelberg Schulen gibt, in denen es reinregnet, benötigen wir kein Fahrradparkhaus für mehrere Millionen.
Für uns steht die Gleichberechtigung aller Verkehrsteilnehmer im Vordergrund, wie es seit Gründung unserer Wählerinitiative im Wahlprogramm steht. Und bevor hier die visionären Großprojekte angegangen werden, sollten zunächst die Straßen in katastrophalem Zustand angegangen werden – das dient den Fahrradfahrern, Autofahrern und auch den Fußgängern hier und heute am meisten.
Personalaufwand
Der Oberbürgermeister hat das Personal als „Basis für eine leistungsfähige Verwaltung“ bezeichnet. Vor dem Hintergrund des nach wie vor vergleichsweise geringen Personalschlüssels und nachdem die Verwaltung bei einigen Aufgaben aufgrund der Personalkapazität immer wieder an ihre Grenzen gestoßen ist, begrüßen wir die Stellenschaffungen im aktuellen Doppelhaushalt.
Ursprünglich war sogar ein höherer Personalschlüssel vorgesehen, aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Stadt Heidelberg ist bewusst, dass dies im „Corona-Haushalt“ nicht möglich ist. Es ist zu honorieren, dass sie bereit sind, ihren Beitrag zu leisten und weiterhin mit reduziertem Personalschlüssel zu arbeiten. Aber die Personalausstattung muss in Relation zu den Aufgaben stehen.
Wir Stadträtinnen und Stadträte müssen im Blick behalten, dass die Personalausgaben deutlich ansteigen. Ursache dafür sind tarifliche Entwicklungen, aber vor allem zusätzliche Aufgaben und neue Projekte.
Auch vor diesem Hintergrund darf es kein „immer mehr und immer weiter“ geben. Das sollten sich v.a. die Parteien zu Herzen nehmen, die die Verwaltung ständig mit zum Teil unnötigen Anträgen bombardieren und damit lahmlegen. Selbst Anträge von der Kategorie „Satire“ müssen von der Verwaltung bearbeitet werden. Auch das bindet Personal und erhöht die Kosten.
Sonstige Ausgaben
Die pauschale Einsparvorgabe von jährlich 6 Mio. € in Form der Globalen Minderausgabe ist sicherlich eine Herausforderung. Die letzten Jahre haben gezeigt, dass Einsparungen von 2 – 3 Mio. € realistisch sind, 6 Mio. € sind schon sehr ambitioniert. Einige meiner Vorredner wollen die Globale Minderausgabe auch noch erhöhen als Ausgleich für ihre zusätzlichen. Davon wird auch der Personalhaushalt nicht unberührt bleiben. Das würde die geplanten Stellenschaffungen konterkarieren – es sei denn, wir nehmen wie schon angesprochen die Reduzierung Aufgaben der Verwaltung in den Blick.
Wir und wahrscheinlich auch die meisten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter würden konkrete Einsparmaßnahmen bevorzugen. Durch pauschale Einsparungen erspart man sich lediglich das Aussprechen unangenehmer Wahrheiten, aber was am Ende dabei raus kommt, ist ungewiss.
Die aktuelle Situation erfordert höhere Zuwendungen im sozialen Bereich, an den Schulen, bei den Kleinunternehmen oder in der Kultur. Dennoch kann es nicht als selbstverständlich erachtet werden, dass die Kommune alles finanziert.
Der Oberbürgermeister hat darauf hingewiesen, dass vergleichbare Städte im Durchschnitt 82 Euro pro Einwohner im Jahr für Kultur ausgeben. In Heidelberg geben wir mehr als 300 Euro je Einwohner für Kultur aus. Damit zählen wir bundesweit zu den Städten mit den höchsten Kulturausgaben pro Kopf. Gerade mit diesen rein konsumtiven Ausgaben müssen wir uns kritisch auseinandersetzen.
Weshalb muss jedes Festival von Jahr zu Jahr immer größer werden? Können wir uns nicht einmal mit dem zufrieden gaben, was wir erreicht haben? Im kulturellen Bereich bedeutet Wachstum nämlich nicht mehr Einnahmen, sondern höhere Forderungen an die Stadt.
Einnahmenseite verbessern
Wenn wir uns all das auch die nächsten Jahre leisten wollen, müssen wir die Einnahmenseite nachhaltig verbessern. Sowohl der Oberbürgermeister als auch Bürgermeister Heiß erwähnen das. Aber es ist wenig dazu aufgeführt, wie die Einnahmenseite erhöht werden soll. Das scheint trotz aller Bekenntnisse kein Schwerpunkt zu sein.
Erhöhungen bei den Realsteuerhebesätzen sind aktuell nicht angebracht. Und aus Erfahrungen weiß man, dass Erhöhungen der Gewerbesteuer längerfristig nicht zwangsläufig zu einem höheren Steueraufkommen führen.
Deshalb ist es umso wichtiger, neues Gewerbe anzusiedeln und neue Arbeitsplätze zu schaffen. Mit dem Heidelberg Innovation Park wurde damit ein Schritt in die richtige Richtung gemacht. Aber davon abgesehen ist die Entwicklung eher konträr. An mehreren Stellen werden Gewerbeflächen ersatzlos gestrichen, ohne sich Gedanken über die Folgen zu machen: In der Bahnstadt wurden Gewerbeflächen umgewidmet, die Gewerbefläche Großer Ochsenkopf soll umgewidmet werden, dass auf der Gewerbefläche Wolfsgärten Gewerbe angesiedelt wird, ist auch eher unwahrscheinlich und in PHV würden einige Stadträtinnen und Stadträte auch ohne Probleme auf einen Teil der Gewerbeflächen verzichten.
Wir können nur dazu aufrufen, dass man dabei auch im Auge behält, dass wir auf steigende Einnahmen aus der Gewerbesteuer angewiesen sind, um unseren Haushalt annähernd so großzügig zu gestalten wie in den vergangenen Jahren. Wenn Heidelberg wächst, steigen auch die Ausgaben kontinuierlich.
Zum Abschluss
Der Verwaltung ist es gelungen, in diesen schwierigen Zeiten einen vernünftigen Doppelhaushalt zu erstellen. Aber die Ziele sind sehr ambitioniert, eine stärkere Priorisierung ist nicht erfolgt und die geplanten Schulden sind unserer Meinung nach zu hoch. In Zeiten von Corona sind sie wahrscheinlich gerechtfertigt, aber danach kann es nicht so weitergehen. Wir müssen alles dafür tun, dass der Schuldenstand bis 2025 nicht so exorbitant in die Höhe schnellt wie prognostiziert.
Wir unterstützen den Vorschlag der Verwaltung zum Doppelhaushalt 2021/2022. Niemand hat sich so intensiv mit den Investitionen, geförderten Institutionen, Zuschussempfängern uvm. auseinandergesetzt. Sie genießen unser Vertrauen, dass sie in der aktuellen Situation den richtigen Ansatz gewählt haben. Aber wir werden keiner Erhöhung zustimmen, die nicht durch eine Einsparung an anderer Stelle ausgeglichen wird!
Wir selbst stellen zum jetzigen Zeitpunkt keine Anträge. Natürlich sind auch auf uns viele Personen und Institutionen zugekommen und wir würden einigen gerne mehr finanzielle Mittel zukommen lassen. Aber das können wir in der aktuellen Situation nicht verantworten.
Erfreulicher Weise haben wir in vielen Diskussionen die Rückmeldung bekommen, dass es aktuell wirklich nicht angebracht ist, Erhöhungen zu fordern. Es ist nun einmal die Realität, dass im Moment alle den Gürtel enger schnallen müssen.
Gespräche haben gezeigt, dass auch anderen Fraktionen bewusst geworden ist, dass es nicht so weiter gehen kann wie bei den Haushaltsberatungen in den letzten Jahren. Es können nicht alle bedient werden, die „hier“ schreien.
Wir machen uns dafür stark, dass der Vorschlag der Verwaltung nicht noch utopisch in die Höhe getrieben wird und hoffen bei den Beratungen auf mutige Mitstreiter, die mit uns gemeinsam alle Aufgaben und Ausgaben kritisch hinterfragen. Und so nachhaltig zum Wohle der Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger beitragen.
Vielen Dank!